kompositorisches Momentwissen

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Es gibt Teile in der Komposition, die einfach binnen weniger Sekunden da waren. Sie entstanden von einem Moment auf den andere, ohne Konzept, ohne Nachdenken, ohne Reflexion. Früher hätte man das “Eingabe” oder “Intuition” genannt, vermute ich. Während das erste dieser Worte jedoch impliziert, dass da noch jemand anders außer mir seine Finger beim Komponieren mit im Spiel gehabt hätte, vermittelt das zweite die Existenz einer Art gottgegebener Fähigkeit, die man hat oder die man nicht hat, und wer sie hat, ist irgendwie “besonders”. Von beidem weiß ich nichts und möchte es deswegen bei der reinen Beschreibung lassen: Manche Teil waren einfach da. Und zwar binnen Sekunden.

Das Erstaunliche dabei ist der Umfang des auf diese Art entstandenen:
Etwas, das auf diese Art entstand, ist z.B. der “Naga-Beat” des Wasserteils. Als ich ihn aufschrieb, war es fast ein “auditives Abschreiben”. Es dauert vielleicht 10 Sekunden. Der sich anschließende Rest waren Übertragungen in Sound.

Es handelt sich bei diesem Beat um eine 23er-Periode, die mir selbst nach wie vor völlig unmöglich ist, auf Anhieb fehlerfrei zu imitieren, da mein Körpergedächtnis sie nicht überblickt.

Wie aber kann etwas, was ich selbst nicht imitieren kann, als kompositorisch “gegeben” vor mir stehen? – Es besteht hier offensichtlich ein Unterschied zu dem, was man als “improvisierendes Komponieren” kennt, die Verschriftlichung einer spontanen Improvisation.

Ich vermute wie gesagt, dass es sich dabei um dasjenige Phänomen handelt, was früher als “Eingabe” oder “Intuition” bezeichnet wurde. – Beides Bezeichnungen, die merkwürdig unsachlich anmuten für die rein männlich dominierte Komponistengeschichte. Als sei es über Jahrhunderte nicht auszuhalten gewesen, ein Phänomen, das man nicht versteht, zunächst einmal einfach nur als das zu betrachten, was es ist:

Bemerkenswert viel Wissen, abrufbar in bemerkenswert wenig Zeit.

Ich würde dieses Phänomen deshalb lieber “kompositorisches Momentwissen” nennen.

Ich glaube, dass ein solches Wissen ist nichts Ungewöhnliches ist, nichts Neues und nichts, das allein der Kunst vorbehalten wäre. Es gibt nämlich ein ähnliches Phänomen bei Unfällen, sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Helfern. Beiden ist das Phänomen bekannt, dass sich in Bruchteilen von Sekunden lange, logische Gedankengänge abspulen. Dass sich plötzliches Wissen einstellt, nicht dies zu tun, sondern jenes, und dass sich dieses Wissen am Ende als lebensrettend herausstellt.

Diese For von “Momentwissen” stelle sich nach der Reise zu den Verbrennungszeremonien gehäuft ein.