Ende der 60er Jahre war Live-Elektronik das große Schlagwort in der elektronischen Musik. Handliche Geräte wie der Synthesizer VCS III der englischen Firma EMS konnten auf vielfältige Art und Weise eingesetzt werden, auch in Verbindung mit live gespielten mechanischen Instrumenten. Im Jahre 1970 wurden bei der Berliner Firma Hofschneider drei Anlagen für live-elektronische Musik in Auftrag gegeben. Diese Anlagen waren speziell für die “Verfremdung” von Instrumentalklängen konzipiert.
Mit diesen Geräten arbeitete ein Ensemble, das aus der Gruppe MHz (Leitung: Günther Becker) hervorgegangen ist und seit 1971 ausschließlich aus Folkwang-Hochschul-Mitgliedern bestand. Die Mitglieder des Ensembles waren: Alfred Alings, Günther Becker, Ferdi Brendgen, Mirko Dorner, Pierre W. Feit und Dirk Reith. In den folgenden Jahren änderte sich das Ensemble einige Male, bis es sich 1973/74 dann als festes live-elektronisches Ensemble auflöste.
Neben der live-elektronischen Arbeit auf der Bühne wurde schon sehr bald deutlich, dass bestimmte live-elektronische Projekte in einem entsprechend ausgestatteten Studio vorbereitet und erforscht werden mussten. So wurde das bis dahin sehr sparsam ausgestattete Studio in den Jahren 1975-78 mit einer neu konstruierten analogen Anlage (“Synlab” der Firma Hofschneider) ausgestattet, die man in Zusammenarbeit mit dieser Firma entwickelt hatte. Der hohe Präzisionsgrad dieses spannungssteuerbaren Systems ermöglichte sogar eine direkte Ansteuerung der analogen Geräte über ein entsprechendes Interface durch einen Digitalrechner. Für die damit möglich gewordene sogenannte hybride Klangsynthese wurde anfänglich ein “Tektronix 4051” Mini-Computer eingesetzt, der dann in den folgenden Jahren durch einen “Apple II Plus” und einen “APS 64/40” der Essener Firma micro control ersetzt wurde. Für die Realisation von elektronischen Kompositionen im hybriden Environment (Klangsynthese mit analogen Geräten, Steuerung durch digitale Rechner) wurden spezielle Programme entwickelt.
1990 gründete der Senat der Folkwang Hochschule ein fachbereichsübergreifendes Institut:Das ICEM (Institut für Computermusik und Elektronische Medien) beinhaltet über das Elektronische Studio hinaus weitere Fachabteilungen für Audiotechnik. Künstlerischer Leiter des ICEM wurde Prof. Dirk Reith, die technische Leitung lag in den Händen von Dipl.-Ing. Roland Masslich. Der Servicetechniker und Realisator in den Elektronischen Studios ist Ralf Galberg. Martin Preu ist verantwortlich für die Beschallungstechnik und die Klangregie bei Konzerten mit elektroakustischen Medien. Neben der Ausbildung von Komponisten betreut das ICEM alle Projekte der Hochschule, in denen Medien in umfassendem Masse eingesetzt werden (siehe Studios & Anlagen).
Mit der Einrichtung des Diplom-Studiengangs Jazz wurde unter der Leitung des ICEM ein spezielles, auf die Anforderungen der Jazz-und Popmusik zugeschnittenes Studio errichtet, das Projekt-Studio. Im Zuge der Federführung der Arbeitsgruppe “Multimedia & Kunst NRW” des MSWWF (Ministerium für Stadtentwicklung, Wissenschaft, Weiterbildung und Forschung) von 1996 bis 1999 wurde ein Studio für Visuelle Medien eingerichtet. Erweitert wurde dieses Medienstudio von 1999 bis 2002 im Rahmen des Forschungsprojektes “Interaktive Medienbühne” des MSWWF; es entstand das Audio/Video-Medien-Studio. Im Jahre 2000 wurde die jüngste Einrichtung des ICEM, das neue Tonaufnahmestudio, eingeweiht. Die Studioleitung liegt in den Händen von Diplom Ton- und Bildingenieur Arthur Jogerst. Neben der Standardausstattung eines solchen Studios wurde es mit einem modernen Abhörsystem in Dolby Surround (6.1) Technik ausgestattet. Darüber hinaus ist es auch mit Projektionseinrichtung für die Video-Postproduktion ausgerüstet.
Im Jahre 2001 wurde die Elektronische Musik an der Folkwang-Hochschule 30 Jahre alt. Zu diesem Anlass veröffentlichte das ICEM in seiner CD-Reihe “ex machina” die Ausgaben Volume 4 bis 6, “Die Jubiläumsausgabe”. Drei CDs mit Produktionen aus dem ICEM über drei Dekaden zeigen ein umfassendes Klangbild des elektronischen Schaffens am ICEM (siehe ICEM-Diskographie).
Im Jahr 2011 feierte man 40 Jahre elektronische Musik an der Folkwang Universität der Künste. Dirk Reith gab angesichts seiner nahenden Pensionierung die Leitung des ICEM ab, neuer künstlerischer und geschäftsführender Leiter ist Prof. Thomas Neuhaus. Auch Roland Masslich verliess das ICEM im November 2011.
Zwei wichtige Personalentscheidungen wurden im Herbst 2012 getroffen. Die Stelle des technischen Leiters wurde geteilt, und so ist seit November 2012 Max Schmitz mit einer halben Stelle neuer technischer Koordinator des ICEM. Er ist bereits seit langem Lehrbeauftragter an der Hochschule und dem ICEM durch seine Arbeiten im Projektstudio mit Studierenden des Studiengangs Jazz bestens bekannt. Im Hauptberuf ist Max Schmitz Inhaber einer Produktionsfirma für audiovisualle Medien.
Die andere Hälfte der freien Stelle von Roland Masslich ging an Georg Niehusmann, der Arthur Jogerst im Tonaufnahmestudio und bei Livemitschnitten unterstützen wird. Er ist “fester freier” Mitarbeiter beim WDR und betreibt ein eigenes Tonstudio.
Im Herbst 2016 kam Christiane Strothmann als “Artist in Progress” ans ICEM, um ihr künstlerisches Forschungsprojekt “Electroacoustics meets Bön” zu realisieren. Das künstlerische Ergebnis wird beim NOW! Festival 2018 gezeigt.
Seit Oktober 2017 ist Michael Edwards neuer Professor für elektronische Komposition am ICEM und tritt damit die Nachfolge von Prof Dirk Reith an.
Nach über vierzigjähriger Ausbildung von Komponisten in der elektroakustischen Musik hat das ICEM die neuen Studiengängen “Integrative Komposition” der Folkwang Universität der Künste massgeblich mitgestaltet. In diesenStudiengängen kann man heute seine Abschlüsse als Bachelor oder Master machen. Die “Integrative Komposition” umfasst die Fächer: Instrumentalkomposition, Elektronische Komposition, Komposition und Visualisierung, sowie Pop-Komposition. Eine Hauptfacherweiterung zur Jazzkomposition ist ebenfalls vorgesehen.
Die Ausbildung am ICEM, im Umfeld der gesamten Hochschule mit ihren Studiengängen aus Musik, Theater und Tanz, ermöglicht den Studierenden eine umfassende Ausbildung mit mannigfaltigen Möglichkeiten in interdisziplinären Projekten mit professionellem, ästhetisch reflektiertem Einsatz elektronischer Medien.
Seit dem Jahrtausendwechsel ist das ICEM zunehmend als Partner bei regionalen und überregionalen Veranstaltungen und Festivals gefragt. So vertritt es die elektronischen und medialen Künste im Rahmen des Projekts “Entdeckungen” im Netzwerk Neue Musik 2008-11 und in den sich daran anschliessenden NOW! Festivals seit 2012. In Zusammenarbeit mit der Philharmonie Essen generiert das ICEM überdies seit 2011 jährlich die musikalische Konzeption und den Content für die Park Sounds
Auch mit der Stiftung Zollverein gibt es intensive Zusammenarbeit bei gemeinsamen Veranstaltungen. So generierte das ICEM die Reihe Round Midnight, bei der jeweils ein Teil des Zollverein Geländes eine ganze Nacht mit Konzerten, Installationen, Videos und Performances bespielt wird. Round MIdnight fand bisher 2007-09 und 11 statt. Bei der “Extraschicht” ist das ICEM ebenfalls regelmäßig mit unterschiedlichsten Programmpunkten vertreten.
In all diesen Veranstaltungen werden Studierende weitgehend eingebunden, sodass sie während ihres Studiums einen intensiven Praxisbezug erfahren können.