Elektronische Musik ohne Computer im neuen Studio-A
Die Retro-Welle erfasst uns immer wieder, ob in der bildenden Kunst, beim Film, in der Fotografie, der Mode, Architektur oder eben der Musik. Für Prof. Dirk Reith, Leiter emeritus des ICEM, ist das Arbeiten mit dem analogen Synthesizer SYNLAB jedoch mehr als ein Aufflackern der Vergangenheit. Seit bald 40 Jahren beschäftigt er sich mit diesem Instrument, anhand dessen er auch sein Seminar Musik ohne Computer hält.
Dirk Reith über das Studio-A
Studio – A, („A“ steht für analog) ist das neuste Studio des ICEM. Die Grundidee bestand darin, dass man den analogen Groß-Synthesizer SYNLAB (ein Unikat aus dem Jahre 1978) weiterhin in einer analogen Studioumgebung betreiben möchte. Der Studiotechniker Ralf Galberg hat dieses Studio zusammen mit Max Schmitz und Thomas Neuhaus geplant und dann so gut wie alleine aufgebaut. Für die Raumakustik war dabei Fritz Fey verantwortlich. Ergänzt wurde der SYNLAB mit historischen Instrumenten aus der Sammlung des ICEM, wie z.B. zwei Original EMS VCS3 Synthesizern.
Analoge Klangerzeugung klingt nicht nur anders, sondern muss kompositorisch auch anders gedacht und realisiert werden. Manche glauben, dass man heute alles auf einem „Klapprechner“ simulieren kann, das ist richtig, aber auch wieder nicht. Keiner würde eine so komplexe Bedienoberfläche, wie die des SYNLAB – mit hunderten von Reglern, Tastern und Schaltern – simulieren. Aber gerade dieses Interface ist es, das den Komponisten dazu zwingt, seine Musik anders zu „begreifen“, im wahrsten
Sinne dieses Wortes, durch den haptischen Vorgang bei der Realisation, Musik neben der Komposition auch „spielerisch“ entstehen zu lassen. Ich erhoffe mir in diesem Jahr – 40 Jahre nach der Erstinstallation -, dass wieder viele Werke mit diesen historischen „Instrumenten“ entstehen.
Biografie
Dirk Reith (*1947) studierte Komposition an der Robert Schumann Musikhochschule in
Düsseldorf bei Milko Kelemen; parallel Tonigenieurstudium. Von 1974 bis 1976 studierte er
Computer-Komposition am Institut of Sonology der Universität Utrecht bei Gottfried Michael Koenig. 1986 war er innerhalb eines Forschungsvorhabens Leiter des Fachbereichs Musik in der Projektgruppe zur Planung des ZKMs (Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe). Aufführung seiner Werke in Europa, USA, Ostasien und Australien. Die Komposition “nested loops III” für Klavier und Tonbänder wurde für die ICMC (International Computer Music Conference) 1986 in Den Haag ausgewählt. Die Komposition verSTIMMUNG wurde für die ICMC 1996 in Hong Kong ausgewählt und mit einer CD-Veröffentlichung ausgezeichnet. Für die ICMC 2000 in Berlin wurde seine Komposition “Dialog aus Méchanique Mon Amour”, für Altsaxophon, Video und Elektronik ausgewählt. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kompositionstheorie in instrumentaler und elektronischer Musik und umfangreiche Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der
Computermusik. Als Gastdozent Lehrtätigkeit an Universitäten und Instituten in folgenden Ländern: Holland, Frankreich, Österreich, Italien, USA, Australien, Japan, Korea und Israel. In den letzten Jahren kompositorische Beschäftigung, vornehmlich mit der Verbindung von mechanischen Instrumenten und Elektronik, multimedialen Bühnenprojekten und auf dem Gebiet der algorithmischen Komposition.
Dirk Reith ist Gründer des Elektronischen Studios an der Folkwang-Hochschule Essen (1971)
und war dort bis 2012 Professor für Komposition. Er ist Gründer des ICEM (Institut für
Computermusik und Elektronische Medien) der Folkwang Universität der Künste und war bis
2011 künstlerischer Leiter des Instituts. Zunächst zusammen mit Thomas Neuhaus, dann mit Dietrich Hahne begründete er das Internationalen Festival für Computer-Musik und Medienkunst ex machina in Essen. Er ist Gründungsmitglied der gnmr (Gesellschaft für Neue Musik Ruhr) und war über mehrere
Jahre Vorsitzender der Gesellschaft. Sechs Jahre leitete er die Arbeitsgemeinschaft
Multimedia und Kunst und die Arbeitsgemeinschaft Interaktive Medienbühne NRW des
Ministeriums für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nord-
Rhein-Westfalen. Von 1996 bis 20011 war Dirk Reith Herausgeber der CD Reihe "ex
machina“.
Drei Fragen an Dirk Reith
Angenommen, zeitliche Faktoren und dergleichen spielten keine Rolle: Gäbe es einen Musik-fremden Studiengang oder eine Ausbildung, der oder die Sie heute reizen würde?
Fotografie
Stellen wir das Studieren, wie Sie es erlebt haben, dem Kompositionsstudium heute gegenüber. In wie fern hat es sich verändert?
Früher musste man sich all die Fächer im Sinne eines „Studium Generale“ zusammensuchen, heute kann man an der Folkwang Universität der Künste das Studium „Integrative Komposition“ belegen.
Haben Sie sich als Komponist durch das Unterrichten verändert?
Da ich schon während meines Studiums unterrichtet habe, war mein ganzes Leben durch diese Kommunikation des Gebens und Nehmens stark geprägt. Ich habe gelernt hinzuhören und verfolgen dürfen, wie etwas von der ersten Idee ausgehend Gestalt annimmt.