Verbrennungsritual 2: Wie filmt man ein Ritual?

-> zur Inhaltsübersicht…
<- zum vorigen Artikel…                      -> zum nächsten Artikel…

Das Verbrennungsritual wurde von mir komplett gefilmt. Von der ersten bis zur letzten Minute und zu beiden Seiten noch darüber hinaus. Dazu kam es, weil ich zuvor dazu aufgefordert wurde und man mir sogar extra dafür eine Handkamera in die Hand gedrückt hatte. Ansonsten war offiziell Film- und Fotografierverbot – außer für die, die eine ähnliche oder noch weitreichendere Erlaubnis hatten als ich, wie z.B. das Fernsehen, das mit dabei war und sich für Close-ups mitten unter den Akteuren bewegte. Oder das zweiköpfige Filmemacherteam, das gerade an einer Dokumentation über „Bön im Westen“ arbeitete und so mit zwei Kameras die Ritualhandlung in relativ geringem Abstand von den unsichtbaren Grenzen des Ritualfeldes umkreisen durfte.
Das Film- und Fotografierverbot galt für alle, außer für die, die Handys hatten, so schien es. Denn mit denen filmten und fotografierten trotzdem alle. Einiges davon landete anschließend öffentlich auf Facebook, und auch das schien OK zu sein.

Die Kamera, mit der ich das Geschehen versuchte festzuhalten, hatte einen ziemlich ruckelnden Zoomregler, wie ich schon in den Tagen zuvor, in denen ich sie ausprobiert hatte, feststellen musste. Aber das war mir eigentlich nur Recht. Ich fühlte mich dadurch von der Technik aufgefordert, wirklich so zu filmen, wie ich es mir als Rezipient dieser Art von Ereignissen immer wünsche und wie es von Künstlern meist sowieso gemacht wird: Dass ich einfach nur die Totale dessen, was aus Zuschauersicht im Raum passiert, mitverfolgen kann. Dass ich die Choreographie erkenne, die Anordnung und Verschiebung einzelner Elemente im Raum. Denn das ist es, was bei einer Gesamtkomposition wirkt, nicht das Gesicht einzelner Anwesender oder das Betrachten von Einzelhandlungen aus nächster Nähe.

Wie es aussieht, wenn jemand ein Holzfeuer in einem offenen Ofen entzündet, weiß ich aus meinem eigenen alltäglichen Leben. Ich weiß sogar, wie es sich anfühlt, denn ich habe oft in meinem Leben selbst Feuer gemacht. Für das Verständnis des Verbrennungsrituals brauche ich deswegen kein Close-up auf die Hand des Fackelträgers, der das Feuer zum Brennen bringt, sondern ich brauche das, was in diesem Moment zeitgleich an allen anderen Orten des Ritualfelds geschieht bzw. ich brauche den genauen Ort im Gesamtarrangement, das Wo der Handlung in Relation zu allen anderen Kompositionselementen.

Mein ruckelnder Zoom und die Tatsache, dass ich gefühlt nur eine Art „Zwischenerlaubnis“ hatte, die mich zwar von meinem Platz aus ganz frei und offen filmen ließ, mir aber nicht das Gefühl gab, dass ich mich ebenso ungehindert zu dokumentarischen Zwecken groß um das Ritualfeld herum oder gar zwischen die Menge der Nonnen und Mönche hätte mischen können, dies beides führte dazu, dass mir gar nicht viel anderes übrig blieb als einfach die Totale aufzunehmen. Mit direktem Blick auf die „Bühne“, die steinerne Empore, auf der der Ofen stand. Und so tat ich genau das.

Zum Zeitpunkt dessen, dass ich dies hier schreibe, liegen meine Aufnahmen des Verbrennungsrituals noch unbearbeitet auf meinen beiden externen Festplatten und sind außerdem noch nicht vom Kloster autorisiert. Sobald ich beginne, die Aufnahmen aufzubereiten, werden sie mein Gedächtnis in Bezug auf das Wahrgenommene verändern. Bevor ich dies geschehen lasse, möchte ich versuchen darzustellen, was von dem Ritual mir wie, ohne Einbeziehung von oder Überprüfung durch Bild- und Tontechnik, in Erinnerung geblieben ist.


<- zum vorigen Artikel…                      -> zum nächsten Artikel…